Interview
Die XVI. Deutsch-Italienische Kulturbörse feiert die bilaterale Freundschaft
10. - 12. Juni 2022 in Düsseldorf
Für die Vereinigung Deutsch-Italienischer Kultur-Gesellschaften (VDIG) und ihre Mitglieder sind die Kulturbörsen wichtige Plattformen zum Austausch von Ideen und Erfahrungen in der bilateralen Kulturarbeit. Im Turnus von zwei Jahren finden diese Veranstaltungen im Wechsel in Italien und Deutschland statt.
Corona-bedingt musste die XVI. Deutsch-Italienische Kulturbörse in Düsseldorf zweimal verschoben werden. 2018 gab es die letzte in Ravenna. Vom 10. bis zum 12. Juni dieses Jahres kommen nun zahlreiche Vertreter der VDIG-Mitgliedsgesellschaften, der italienischen Schwestergesellschaften und weitere Freunde und Förderer der Kultur und Sprache beider Länder in Düsseldorf zusammen, um dieses Kulturfest zu feiern.
Die Präsidentin der VDIG, Rita Marcon-Grothausmann im Interview zur Kulturbörse und der Arbeit des Verbandes:
Was bedeutet es, dass die Deutsch-Italienische Kulturbörse in diesem Jahr endlich wieder stattfinden kann?
Rita Marcon-Grothausmann: Für mich ist das essenziell. Der Austausch mit und zwischen unseren Mitgliedsgesellschaften war für eine sehr lange Zeit kaum im direkten Kontakt möglich. Alles ist mehr oder weniger online passiert. Die Kommunikation über digitale Plattformen, wie Homepages oder soziale Medien ist wunderbar, aber deutsch-italienische Freundschaften entstehen nicht auf dem Papier bzw. nicht online.
Sich persönlich zu treffen, Kontakte zu knüpfen und zu festigen ist für Kulturarbeit, wie wir sie verstehen, einfach unabdingbar.
Warum gibt es diese Deutsch-Italienische Kulturbörse?
RMG: Sie wurde in Savona 1989 begründet mit dem Gedanken, dass die Kulturgesellschaften tatsächlich Kultur „austauschen“: also z.B. ein Konzert mit deutschen Musikern oder eine Moderation, einen Vortrag auf Italienisch usw. Es gab ja zu dieser Zeit noch kein Internet, um schnell und unkompliziert Veranstaltungen über Grenzen hinweg zu planen. Das war der Ursprung der Kulturbörsen.
Wie werden die Deutsch-Italienischen Kulturbörsen aktuell organisiert?
RMG: Für die Planung und Durchführung der Kulturbörse ist immer eine unserer Deutsch-Italienischen Gesellschaften bzw. eine unserer italienischen Schwestergesellschaften verantwortlich. Diesmal sind es sogar drei Gesellschaften: die DIG Düsseldorf, Italia Altrove, der Verein Düsseldorf Palermo.
Das spannende daran ist, dass diese Gesellschaften jeweils andere Aspekte und Ansätze in Sachen Kulturarbeit verfolgen und sich das im Programm widerspiegeln wird.
Was wird in Düsseldorf passieren?
RMG: Wir werden uns über die vergangenen zwei bzw. vier Jahre austauschen auch dazu, welche Erfahrungen man aus der Arbeit während der Pandemie mitnimmt.
Außerdem gibt es natürlich ein interessantes Programm u.a. mit einem Symposium zur Frage der gegenseitigen Wahrnehmung deutscher Kultur in Italien sowie italienischer Kultur in Deutschland. Und es gibt mit „Tutti in piazza!“ Aktionsangebote zu Tanz, Sprache, Musik und Kunst für alle.
Wie engagiert sich die VDIG bei diesen Kulturfesten?
RMG: Der Verband steht natürlich dahinter und unterstützt die veranstaltenden Gesellschaften. Die VDIG gestaltet wichtige Programmpunkte mit, lädt z.B. Gastredner ein und verleiht seit 2008 den Premio Culturale.
Diese Kulturbörsen zu organisieren und zu gestalten, zu der etwa 150 Gäste mit unterschiedlichen und doch sehr hohen Erwartungen anreisen, ist sehr anspruchsvoll. Das Programm soll abwechslungsreich sein, mit kulturellen Highlights, informativen Vorträgen, Raum für Begegnungen. Daher ist auch nach der Kulturbörse gleich wieder vor der Kulturbörse. Da beginnt die Suche einer neuen Gastgebergesellschaft und natürlich die weitaus schwierige Suche nach Förderern und Sponsoren.
Ein wichtiger Part ist die Verleihung des Premio Culturale. Was ist das für ein Preis?
RMG: Der Premio Culturale wird an eine Person oder eine Institution vergeben, die sich – ganz pauschal gesagt – für die deutsch-italienischen Kulturbeziehungen einsetzen. Unsere bisherigen Preisträger tun das meist seit vielen Jahren. Sie kommen, immer im Wechsel, aus Deutschland oder Italien. Der Preis selbst wird als Kunstgegenstand gestaltet und ist dann ein Unikat.
Diesmal wird Henning Klüver den Premio Culturale erhalten. Ein engagierter Kulturjournalist, der es seit Jahrzehnten versteht, den Deutschen Italien näher zu bringen. Er lebt in Mailand, schreibt für Zeitungen Analysen über Politik und die Gesellschaft in Italien. Er hat u.a. die „Gebrauchsanweisung für Sardinien“ und „Die Gebrauchsanweisung für Italien“ verfasst.
Die Vereinigung Deutsch-Italienischer Kultur-Gesellschaften engagiert sich seit fast 70 Jahren für den bilateralen Kulturaustausch. Warum?
RMG: Die VDIG wurde nicht lange nach Ende des 2. Weltkrieges gegründet. Unter anderem war ein ehemaliger Kriegsgefangener daran beteiligt, der in Italien interniert war und der nach seiner Rückkehr eine Art Freundschaftsgesellschaft gründen wollte. Für mich findet die europäische Idee in dieser Gründung bereits ihre Form.
Diese europäische Idee ist die Motivation für die Arbeit der VDIG?
RMG: Wir alle sind überzeugte Europäer und leisten unseren Beitrag für Europa, indem wir hier die italienische Sprache und Kultur vermitteln und uns, wie schon Generationen vor uns, inspirieren lassen von dem, was der jeweils andere zu bieten hat. Dieses Wissen, das kulturgeschichtlich in uns verankert ist, wollen wir aktiv lebendig halten und weitergeben.
Deshalb unterstützen wir die Förderung der Vermittlung der italienischen Sprache hier und der deutschen Sprache in Italien, um einander begegnen und in vieler Hinsicht verstehen zu können. Für uns bei der VDIG und natürlich auch bei den Mitgliedsgesellschaften ist dabei der Begriff „Kulturaustausch“ entscheidend.
Welche Beziehungen nach oder mit Italien werden konkret gepflegt?
RMG: Jede Gesellschaft hat natürlich eigene Kontakte. Die VDIG kümmert sich generell um die Verbindung zu den italienischen Gesellschaften, die unsere Newsletter und regelmäßige Anschreiben erhalten. Es gibt zahlreiche Institutionen in Italien z.B. Goethe Institut, Casa Goethe, Villa Vigoni oder die deutsche Botschaft in Rom, zu denen wir die Kontakte pflegen. In Deutschland gilt das für die italienischen Kulturinstitute, die Konsulate und natürlich für die italienische Botschaft in Berlin. Wichtig ist uns auch die Verbindung zu Comites. Eine neue und ganz wichtige Verbindung ist zu VIAVAI entstanden, einer Plattform, die junge Deutsche und Italiener anspricht und sie berät bei der Planung eines Aufenthaltes in dem jeweils anderen Land.
Was heißt das für die Arbeit der VDIG?
RMG: Wir versuchen, zu unseren Mitgliedsgesellschaften und den Schwestergesellschaften in Italien regelmäßigen Kontakt zu pflegen. Wir vernetzen uns mit Künstlern, Wissenschaftlern, Politikern, um Initiativen und Projekte ins Leben zu rufen. Und natürlich sind wir auch aktiv bei anderen Initiativen und Projekten zum bilateralen Kulturaustausch dabei. Wir kooperieren mit Konsulaten, den Italienischen Kulturinstituten in Deutschland etc. Seit 2017 gibt es unsere Initiative „oli - omaggio alla lingua italiana – wir lieben italienisch“ mit dem Ziel, Italienisch mehr in das Interesse der Öffentlichkeit zu rücken. oli ist eine Art progetto in movimento. Es ist nicht ein klar definiertes Ziel zu erreichen. Wir wollen eher den Aufbau eines Netzwerkes und die Motivation von Partnern, um Italienisch mehr zu integrieren.
Verständigung zwischen Kulturen scheint momentan wichtiger denn je. Was kann man mit den Mitteln der Kultur Krieg und Misstrauen entgegensetzen?
RMG: Wir meinen, dass Information wichtig ist und dass Veranstaltungen natürlich dazu beitragen können, über das andere Land zu informieren: wie ist die Situation dort, wie „ticken“ die Menschen da. Daher geben wir nicht auf. Der Kulturaustausch ist unsere Möglichkeit, Völker einander näher zu bringen und uns so für Frieden einzusetzen.
Wir bieten kultur- und sprachübergreifende Veranstaltungen, Workshops, Onlineforen an. Wir wollen ältere und unbedingt auch jüngere Menschen ansprechen, damit der Informations- und Kulturaustausch über die Grenzen weiter geht. Das passiert bei der VDIG alles ehrenamtlich.
Wenn man von einer Sache überzeugt ist, dann macht man das aus tiefstem Herzen.
XVI. Deutsch-Italienische Kulturbörse in Düsseldorf